Reportagen und Features

Genuss, Abenteuer, Mobilität: ADAC MotorWelt

Die ADAC MotorWelt ist nach wie vor eines der auflagenstärksten Magazine in Deutschland. Seit dem Relaunch des Hefts liefern wir im Auftrag von Storyboard regelmäßig aufwändige Reportagen, Interviews, Reisegeschichten und Produkt-Specials. Dabei begleiten wir die Piloten der ADAC Luftrettung zum Einsatz, fahren Langstrecken-Rennen, erwandern die schönsten Ziele in Deutschland und Europa und testen die neuesten Produkte rund ums Fahrrad.

MotoGP Sachsenring

Zwischen Motorrad-Mekka, Familienfest und Partymeile: Die MotoGP am Sachsenring begeistert jedes Jahr hunderttausende Zuschauer – und eine ganze Region fiebert mit.

Wenn die Fahrer in Kurve 9 hineinrasen und dann schließlich – fünfter Gang, sechster Gang, Vollgas – bis zur Waldmannkurve auf bis zu 275 Stundenkilometer beschleunigen, dann ist das Rennen im Garten von Monika Thiele wieder ganz nah. Monika Thiele mag den Sound, dieses Röhren und Brüllen, das einem förmlich durch die Haut geht, wenn man in der Nähe steht.

Schon als Siebenjährige war sie mit ihrem Vater auf dem alten Sachsenring, damals, 1957. Ihr Vater war Streckenposten und verkaufte nebenher Rennprogramme. Monika und ihre Geschwister waren immer dabei. Und auch später war der Ring immer mehr als nur ein lauter Nachbar. „Ich habe Floristin gelernt und jahrelang die Lorbeerkränze für die Sieger geflochten“, erzählt die heute 72jährige. „Aufwändige Kränze mit schwarz-rot-goldenen Schleifen. Aber ohne Hammer und Sichel. Das hat mir gefallen“.

Das Moto-GP-Wochenende am Sachsenring ist für Familie Thiele auch heute noch immer etwas Besonderes. Normalerweise haben die drei Generationen bequem Platz im Haus; Monika und ihr Mann, Tochter, Schwiegersohn und Enkel. Jetzt haben sich neun Gäste einquartiert, Freunde und Bekannte aus Bayern, NRW und Sachsen – die meisten kommen schon seit vielen Jahren. 

Treffpunkt des Tages ist das gemeinsame Frühstück im Garten. Ab halb neun trudeln die Gäste ein; mal mehr, mal weniger frisch. Auf dem Tisch Rauchwürste, Eiersalat, belegte Semmeln, Obst und Gemüse, jede Menge Kaffee; robuste Grundlage für lange Tage an und neben der Strecke. Denn wenn der „LIQUI MOLY Motorrad Grand Prix Deutschland“ in Hohenstein-Ernstthal Station macht, wird aus der beschaulichen Geburtsstadt von Karl May der Nabel der Motorradwelt.

Im Zentrum des Wahnsinns

Und die größte Partyzone Sachsens. Für das Rennen werden jedes Jahr nicht nur 14 mobile Tribünen aufgebaut, insgesamt 50.000 Sitzplätze. Rund um die Rennstrecke, in der benachbarten Goldbachstraße und auf dem historischen Altmarkt von Hohenstein-Ernstthal spielen Bands und DJs. Auf vielen Grundstücken entstehen improvisierte Campingplätze, Bühnen, Kneipen. Die Luft scheint zu vibrieren.

Und die Fans lieben die Moto GP am Sachsenring: Über das Rennwochenende im Juni 2022 kamen 232.202 Zuschauer in die Stadt, die den Rest des Jahres nur etwas mehr als 14.200 Einwohner hat. Auch Sabrina (23) und Tobias Noack (21) aus Augsburg sind eingefleischte MotoGP-Fans. Sabrina hat ihrem Bruder das Wochenende am Sachsenring zum Geburtstag geschenkt – inklusive Camping auf dem legendären Ankerberg. Der beschauliche Hügel gleich gegenüber der Rennstrecke wird rund um den WM-Lauf für eine Woche zu einer Mischung aus Campingplatz und Festivalbühne, für viele das Zentrum des Wahnsinns. „Ich bin wirklich gespannt, wie das wird“, sagt Sabrina.

Auch bei Eric Meyer von den „Ridin Crocs“ steigt am frühen Nachmittag langsam die Spannung. Die „Crocs“ haben mit Motorrädern an sich nicht viel am Hut. Und sind doch ein wichtiger Treffpunkt auf der Partymeile an der Goldbachstraße. „Die Moto-GP, das ganze Drumherum, das hat uns schon immer fasziniert“, sagt der 39jährige IT-Techniker. „Also haben wir uns vor zehn Jahren als Mofa Klub gegründet, das war eigentlich eine Blödelei.“

Heute bespielen die Ridin Crocs einmal im Jahr eine große Brachfläche direkt an der Goldbachstraße und feiern drei Abende lang mit bis zu 1000 Gästen; jedes Jahr mit einem neuen Motto.

Brennen für das Rennen

Der Verein hat zehn Mitglieder. Zum Grand Prix kommen noch einmal 40 Helfer dazu – Freunde und Familie packen mit an. „Wir wollen vor allem was für die Region machen“, sagt Eric. Mit dem Geld, das sie verdienen, organisieren die Crocs einen Weihnachtskalender für bedürftige Kinder aus der Region, spenden für Menschen in Not oder an die DKMS.

Und wenn das Geld wie jetzt, nach zwei Jahren Corona, weg ist, fangen sie wieder von vorne an. „Dieses Jahr haben wir alles privat vorfinanziert“, sagt Erik, Und hofft, dass am Ende wieder genug hängen bleibt. Für die nächste Party an der Goldbachstraße und vor allem für die Spendenaktionen.

Auch Ron Richter brennt für die Moto GP. „1998, als der erste WM-Lauf wieder hier war, da war ich elf. Damals haben wir jede Lücke gesucht, um über den Zaun ins Paddock zu klettern und dann irgendwelche Stars zu treffen. Hat auch oft geklappt“, erinnert er sich. Jetzt steht er mit dem Verkaufsstand seines Modelabels „B2BA“ in der Nähe des Fahrerlagers und bedruckt neue T-Shirts.

Dass gefeiert werde, sei doch etwas Gutes: „Das ist wie ein Festival hier. Die Leute gehen wegen der Main Acts hin. Bei uns ist das eben das Rennen, aber die wollen nebenher auch richtig Party machen“. Und trotz allem sei das Rennen am Sachsenring eben auch ein Familienfest, sagt Ron: „Deine Kinder kannst Du tagsüber ohne Bedenken mitnehmen.“ Und tatsächlich – immer wieder werden Kinderwägen durch Partyclubs in bunten Verkleidungen geschoben, flanieren junge Mütter in leichten Sommerkleidern neben singenden Hardcore-Fans.

DER DJ regiert die Massen

Ein Stück weiter, etwas am Rande des Trubels, turnt Till Trinks auf seinem Miniatur-Motorrad herum. Der Siebenjährige aus dem sächsischen Meerane ist schon auf dem besten Wege, sich den Traum vom Rennfahrerleben zu erfüllen. Mit seinem Pocketbike steht er am Stand der ADAC Road Racing Academy, wirbt für den Pocketbike-Cup, die Kinder-Rennserie des ADAC. In seinem Rookie-Jahr hat Till schon seine ersten Rennen gewonnen. Jetzt will der schnelle Knirps mit der Startnummer 22 mehr. Viele Kinder, aber auch viele Väter staunen über den Mini-Rennstall. Alles wie bei den Profis, nur eben viel kleiner.

Der vielleicht mächtigste Mann des Wochenendes steht spät am Abend auf einem Turm aus Stahlgerüst auf dem Ankerberg und dirigiert die Massen. Wenn Stephan Mangelsdorff „Die Hände nach oben“ sagt, dann strecken sich 50.000 Hände in den Nachthimmel. Sie nennen ihn hier schlicht und ehrfurchtsvoll DEN DJ. Seit die Moto GP am Sachsenring ist, ist Stephan dabei. „Ein absolutes Highlight“ sei das jedes Jahr, sagt er und lacht.

Angefangen habe das mit 300 Fans, erinnert sich der Musiker hinter der Bühne. In den fetten Jahren vor Corona haben bis zu 40.000 Gäste auf dem Dancefloor vor dem riesigen Party-Turm gefeiert. Und auch an diesem Abend ist die Fläche vor der Bühne brechend voll.

„Die Generationen wechseln jetzt gerade“, sagt der 62jährige. „Aber der Kultcharakter des Events ist geblieben“. Während er erzählt, rollt ein Trecker vorbei, drei Mann auf einem Schlitten im Schlepp. Seit 47 Jahren steht Stephan nun auf der Bühne „Ich denke, ein kleiner Teil meines Gehirns weigert sich, alt zu werden.“

Was bleibt ist der Sound

Nicht weit entfernt stehen die Zelte der Pirelli-Garage.  Die rund 50 Männern und Frauen aus Halle kommen seit 15 Jahren auf den Ankerberg. Der jüngste ist 22, der älteste 69 Jahre alt. „Der Motorsport hält alle zusammen“, sagt Maik Sänger (53). Corona sei hart gewesen, erzählt er „da schläft auch vieles ein“. Doch jetzt sind sie zurück und wollen feiern. Wobei es ihnen nicht nur um die Party geht. „Wir sind hier über die Jahre auch zu einer Art Anlaufstelle geworden, erklärt Veit Wehlmann (55). Wenn einer sein Handy verliere, jemand krank wird oder einfach mal eine Pause brauche – „wir kümmern uns“.

Doch auch die schönste Party endet irgendwann – um dem eigentlichen Höhepunkt Platz zu machen. Im Infield des Sachsenrings herrscht am Sonntag ab 7 Uhr Betrieb. Auf den Wiesen und Hängen rund um die Omega-Kurve sichern sich die Fans schon früh am Morgen die besten Plätze. Wer zeitig dran ist, bekommt neben dem guten Blick auf die Strecke auch noch das gesamte Renngeschehen auf einem der großen Monitore mit. Direkt am Zaun entsteht so eine lange lückenlose Reise aus Schirmen und Klappstühlen, die steilen Wiesen dahinter sind dicht besetzt.

Und dann der Moment, auf den das ganze Wochenende ausgerichtet ist: Punkt 14 Uhr heulen die Motoren auf, der Start zum Grand Prix. Erst geht ein Raunen durch die Menge, dann jubeln die Fans gegen den Lärm der Motoren an.

Die meisten kommen eben doch wegen der hochklassigen Rennen, andere machen sich zusätzlich ein einzigartiges Festival-Wochenende. Fans vom Sachsenring sind sie alle. Auch Monika Thiele, die Gastgeberin aus der Nachbarschaft. Zum Rennen selbst geht sie inzwischen nicht mehr, zu anstrengend sei das für sie. „Aber wenn es losgeht“, sagt sie, „dann mache ich bei mir alle Fenster weit auf, damit ich die Fahrer hören kann“.

Durch die Sächsische Schweiz

Wenn der Vater mit den Söhnen

Wandern, fischen, Kanu fahren. Was gibt es Besseres im goldenen Herbst? Dachte sich auch unser Autor und machte sich mit seinen Söhnen auf den Weg in die Sächsische Schweiz.

Till wirft mit aller Kraft. Aber schief. Die blaue Frisbee-Scheibe beschreibt eine langgezogene Rechtskurve, bekommt kurz noch einmal Aufwind und landet schließlich in der Elbe. Mein Sohn grinst. Das war kein Unfall. Bevor ich etwas sagen kann, zieht er T-Shirt und Schuhe aus und watet in den Fluss. Zum dritten Mal heute. Und zum dritten Mal heute schwimme ich hinter ihm her, sehe zu, dass in der Strömung nichts passiert. Nachdem ich ihn geschnappt habe lassen wir uns treiben und genießen die Rundumsicht – auf die Festung Königstein, die über der gleichnamigen Stadt wacht, zum Lilienstein im Nationalpark Sächsische Schweiz.

Zwei Tage zuvor sind meine Söhne Jan, Till und ich gemeinsam in die Sächsischen Schweiz aufgebrochen, Neuland erkunden. Jan ist 16, Till gerade 12 geworden. Drei Tage wollen wir unterwegs sein, im Zelt oder einer kleinen Hütte schlafen. Wir wollen in der Natur klettern, wandern, fischen und Kanu fahren. Eben: zu dritt kleine Abenteuer erleben.

Der erste Tag beginnt mit einem Frühstart. Neuland erkunden heißt eben manchmal auch: früh aufstehen. Im Herbst herrscht hier im Elbsandsteingebirge Hochbetrieb. Um den Besuchermassen zu entgehen, haben wir heute im ersten Sonnenlicht mit der historischen Gierseilfähre nach Niederrathen übergesetzt und sind von dort auf die Bastei gewandert. Das frühe Aufstehen hat Proteste ausgelöst, doch es lohnt sich. Knapp 30 Minuten dauert es, bis wir den Felsvorsprung erreichen, der hier oben am Weitesten in den Abgrund ragt: die Bastei. Wem das zu weit ist, nimmt das Auto oder den Pendelbus und parkt einen halben Kilometer entfernt. Denn die Bastei ist nicht nur besonders schön, sie ist auch die Wiege des Tourismus in Sachsen und besonders gut zu erreichen. Seit 1826 kann man hier oben übernachten. Und 1853 schoss Hoffotograf Herrmann Krone an der Bastei die ersten Landschaftsfotos Deutschlands. 

Wer die Bastei gesehen hat, hat sie Sächsische Schweiz gesehen

Unsere Wirtin Bea Michel von der Ottendorfer Hütte hat uns hergeschickt. „Wer auf der Bastei war, kann mit Fug und Recht behaupten, dass er die Sächsische Schweiz gesehen hat“, hatte sie gesagt. Und richtig: Rund um uns herum türmt sich die bizarre Felslandschaft auf, 200 Meter unter uns die Elbe, in der Ferne die Festung Königstein, die Gipfel von Rauenstein und Paffenstein, die Böhmische Schweiz. So früh am Morgen haben wir die Aussicht fast für uns allein.

Das Elbsandsteingebirge ist etwa 700 Quadratkilometer groß und erstreckt sich entlang der Elbe, im Dreieck zwischen Pirna und Sebnitz in Sachsen sowie Děčín in Tschechien. Wie nirgends sonst in Deutschland wechseln sich hier auf engstem Raum Ebenen, Schluchten, Tafelberge und Felstürme mit dichten Wäldern. Wobei das Elbsandsteingebirge nicht einmal ein Gebirge sei, hat uns Wirtin Bea erklärt, sondern eine Erosionslandschaft, ausgewaschen aus den Ablagerungen eines urzeitlichen Meeres aus der Kreidezeit. Uns ist es gleich – schön ist es allemal.

 Und gut zu erreichen: Von Dresden ist man mit dem Auto oder der S-Bahn in einer halben Stunde am Nationalparkzentrum in Bad Schandau; ein gutes Ausflugsziel, nicht nur für schlechtes Wetter. Hier gibt es Ausstellungen zu Natur und Kultur der Sächsischen Schweiz, viele Projekten und Veranstaltungen. Dazu eine große Multivisionsshow und einen entspannten Garten. 

Wenig später schlendern wir über die 76 Meter lange Basteibrücke, die seit 1851 mit sieben Bögen eine 40 Meter tiefe Schlucht überspannt. Auch dieses berühmte Fotomotiv liegt so früh am Morgen noch ruhig da. Die Felsenburg Neurathen auf der anderen Seite ist deutlich älter. Im Mittelalter führte eine Holzbrücke durch die Felsen, die bei Belagerungen mit großen Felsen zum Einsturz gebracht wurde. Heute sind auf einem kurzen Rundgang noch die alte Zisterne, in den Fels gehauene Räume und ein paar der alten Geschosse zu sehen.

Nichts als Gipfel

Wir lassen die Burg hinter uns und ziehen weiter. Die Wanderung im Bielatal wird verblüffend sportlich. Die Jungs machen sich einen Spaß daraus, über den weichen Waldboden zu dopsen. Sie springen über querliegende Äste, hangeln sich von Stein zu Stein, springen über Spalten und klettern auf jeden einzelnen Felsen. Mit 239 Gipfeln ist das Bielatal das größte Kletterrevier in der Sächsischen Schweiz. Während wir unten wandern hören wir die Gespräche der Kletterer, die über uns in den Felswänden hängen.  

Das Besondere: In der Sächsischen Schweiz klettert man fast nur auf Gipfel, die ausgewaschenen Sandsteintürme. Insgesamt 1160 davon gibt es. Hilfsmittel aus Metall sind verboten. „Der Sandstein hier ist sehr griffig“, erklärt Steffen Michel von der Kletterschule der Ottendorfer Hütte. „Das war mal Meeresboden, das ist zu weich. Metallteile würden die Oberfläche kaputt machen“. Die Sportler sichern sich stattdessen mit Knotenschlingen, die sie um Vorsprünge legen oder mit einem speziellen Holzspatel in den Spalten festklemmen.

Nach dem Abendessen in der Ottendorfer Hütte liegen wir früh im Bett, war ein langer Tag. Wenn wir mal weniger wandern wollen, nehmen wir die Kirnitzschtalbahn, eine Tram, die seit 1898 vom Kurpark Bad Schandau zum Lichtenhainer Wasserfall fährt, jeden Tag, das ganze Jahr. Von den neun Zwischenhalten führen kurze Spaziergänge und längere Wanderungen zu den schönsten Aussichtspunkten, zu Grotten und Steigen. 

Den zweiten Tag verbringen wir auf und an der Elbe. Am Wasserwanderrastplatz in Königstein haben wir unser Zelt aufgeschlagen und uns ein Kanu gemietet. Das Team von Kanu-Aktiv bringt das kleine Boot nach Schmilka. Der schmuck renovierte Ort wurde 2017 zum schönsten Dorf Sachsens gekürt. Im Winter verwandelt sich der Platz rund um die Schmilk’sche Mühle in ein Wintermärchen mit Laternen und Kaminfeuer, viel Licht und stimmungsvoller Atmosphäre. Wir fahren mit dem Zug flussaufwärts, steigen nach einer kurzen Einweisung ins Boot und machen uns auf den Weg zurück.

Ein kühler Westwind bläst uns ins Gesicht. Es ist deutlich kühler als noch gestern, doch unter dem Paddeln wird es uns bald warm. Wir gleiten vorbei an Krippen, an den imposanten Gutebierwänden, die sich kurz hinter dem Ufer gute 200 Meter hoch auftürmen. Vom Wasser aus haben wir noch einmal einen ganz anderen Blick auf die Ortschaften und die Felsen, genießen den ungewohnten Rundumblick. Die Strömung hilft uns und die zwölf Kilometer nach Königstein vergehen wie im Flug. Wer sich das nicht zutraut, bucht eine Motorbootfahrt oder ein eigenes kleines Motorboot und genießt den Blick ohne Anstrengung.

Zelten mit Soljanka

„Das ist ein ziemlich cooler Job“, sagt René Hoffmann. Der 52jährige klettert seit seiner Jugend, ging als Canyoning-Guide nach Frankreich und reiste durch die Welt. Vor 25 Jahren gab der Chemnitzer seinen gelernten Beruf als Maschinenanlagenmonteur auf und gründete in Königstein seine Firma Kanu aktiv. Er verleiht Kanus und Schlauchboote, bietet Kletterkurse, Höhlentouren und einen Indoor-Hochseilgarten. Man kann wohl sagen, dass er hier hängen geblieben ist in diesem „kleinen faltigen und verwinkelten Gebirge mit den engen Schluchten und Tälern“, wie er sagt.

Für Kajakfahrer und Kanuten auf Wanderfahrt hat René unterhalb seiner Bootshalle einen Wasserwanderrastplatz eingerichtet, auf dem man ein oder zwei Nächte übernachten kann. Nebenan, ebenfalls direkt am Elbufer, gibt es einen großen komfortablen Campingplatz. Wir entscheiden uns trotzdem für die einfache Lösung auf der grünen Wiese am Fluss.

Abends, nach dem Schwimmen, sitzen wir vor unserem Zelt im Gras und kochen. Es gibt – Neuland für die Jungs – hausgemachte Soljanka von der Metzgerei Dünnebier in Bad Schandau. „Alles frisch, alles selbst gemacht“, hat Metzgermeister Bastian Pohlingk stolz erklärt. Zwei große Einmachgläser haben wir mitgenommen. Und die Emaille-Teller und der kleine Gaskocher und der Blick über den Fluss machen die herzhafte, leicht säuerliche Suppe noch besser. Über uns, auf dem Plateau eines großen Tafelbergs, wacht im letzten Sonnenlicht die Festung Königstein, eine der größten Bergfestungen Europas mit ihren bis zu 42 Meter hohen Mauern.

Am nächsten Morgen tauchen wir noch einmal tief ein. In die Sächsische Schweiz. Und in die Sebnitz. Wir sind zum Fliegenfischen verabredet, der ursprünglichsten Form des Angelns. Was man dazu braucht? Einen Fischereischein, gute Laune und einen Termin bei Ingolf Augustin. Alles anderes kann man als Anfänger ausleihen. Der kernige Mann aus Heidenau ist seit 28 Jahren als Guide unterwegs, seit sieben Jahren hauptberuflich.

Wir stehen in hohen Wathosen im Wasser und machen erst einmal alles falsch. Was bei den Könnern so leicht und flüssig aussieht, ist bei uns zu Beginn eher ein Fuchteln. Wichtig ist, die Rute sauber pendeln zu lassen, in der Vorwärtsbewegung nicht zu werfen, sondern zu zeigen, erklärt Ingolf. „Handgelenk stabil, die Bewegung kommt aus dem Unterarm“, korrigiert er immer wieder und lächelt. Es geht darum, den Köder genau an der richtigen Stelle, nah am Fisch zu platzieren. Nicht einfach.

Alles falsch und Spaß dabei

Wenn man Lust und Talent hat, braucht man zwei Tage für die Grundlagen des Fliegenfischens. Und dann wird es richtig schwer. „Das erste Jahr ist Arbeit, ab der zweiten Saison entspannst du dich am Wasser“. Trotzdem bliebe der allergrößte Teil seiner Kunden dabei, sagt Ingolf, denn das Fliegenfischen sei einfach ideal, um komplett abzuschalten.

Mit den Fliegen, den handgemachten künstlichen Ködern, wird imitiert, was im und auf dem Wasser herumschwimmt. „Es geht um ein tieferes Verständnis dessen, was rund um den Bach passiert. Du bewegst dich ruhig und langsam, bist getarnt. Und du musst lernen, wie der Fisch reagiert, wie er sich verhält, sonst funktioniert das nicht.“ Die Köder sollen Insekten und Wasserlebewesen imitieren. Ingolf hebt einen Stein und zeigt, was darunter lebt: Larven von Eintagsfliegen, kleine Krebse, Köcherfliegenlarven, Gelbrandkäfer, es ist faszinierend lebendig in der kalten Dunkelheit.

Auch wenn unsere Schultern ob der ungewohnten Bewegung langsam verkrampfen – wir treffen immer besser, zumindest die grobe Richtung. Und es macht tatsächlich Spaß, trockenen Fußes durch den Bach zu waten und nach Fischen Ausschau zu halten während die Sonne auf den Wellen glitzert.

Natürlich fangen wir Anfänger nichts. Aber unser Guide hat vorgesorgt und zaubert zwei frische Bachforellen mit Butter, Zwiebeln, Rosmarin, Salz und Pfeffer auf einen kleinen Holzkohlengrill. Der wilde Fisch schmeckt, es mag komisch klingen, weniger nach Fisch als gewohnt, das Fleisch ist fester. Ein Genuss. Wer nicht ins kalte Wasser steigen mag, um seinen Fisch zu genießen, stoppt ganz in der Nähe bei der Forellenzucht Rathmansdorf. Hier werden täglich frisch Lachse und Forellen geräuchert und im eigenen Laden verkauft.

Nach dem Essen sitzen wir in der Sonne und sinnieren über unseren Trip. Die drei Tage fühlen sich an wie eine ganze Woche, soviel haben wir gesehen und erlebt, so nah sind wir der Natur gekommen. Und das ist auch die Idee des Nationalparks – Natur zu schützen und zugänglich zu machen. Auch Ingolf wird in den kommenden Wochen und Monaten wieder seine Heimat durchstreifen und sie erlebbar machen. Er sagt: „Ich habe den schönsten Arbeitsplatz der Welt“. Finden wir auch. Im Frühjahr kommen wir wieder.